Anschauung nahe, daß für deren "Flächeninhalt" jede Obersumme eine obere Schranke und jede Untersumme eine untere Schranke darstellt.
Ist nun die kleinste obere Schranke (Infimum) gleich der größten unteren Schranke (Supremum), so ist es offenbar sinnvoll, diesen gemeinsamen Wert der begrenzten Punktmenge als Flächeninhalt zu zu ordnen. Mit diesen Gedanken werden wir uns nun näher im ersten Abschnitt des Riemann-Integrals beschäftigen.
1. Riemann-Integral
1.1 INHALT EINER ORDINATENMENGE DER EBENEN
1.2 DEFINITION DES RIEMANN-INTEGRALS
1.3 RIEMANN-INTEGRIERBARE FUNKTIONEN
1.4 RIEMANN-INTEGRAL MIT VARIABLER OBERER GRENZE
1.1 INHALT EINER ORDINATENMENGE DER EBENEN
In Anlehnung an das obige Schaubild beginnen wir unsere Betrachtungen mit einer einfachen Funktion und geben uns dazu die Gerade
f : [0, a] -> IR mit f(x) = x
vor. Offenbar stellt dabei die von f, der x-Achse und der Geraden x = a begrenzte Punktmenge ein Dreieck dar, dessen Inhalt uns aus der elementaren Geometrie bekannt ist.
Zu dem bereits bekannten Inhalt dieser Punktmenge gelangen wir aber auch durch eine Betrachtung der Unter- und Obersummen der Funktion f zur äquidistanten Zerlegung Z des Intervalls [0, a] mit Feinheit 1/n - ähnlich wie in obigem Schaubild. Dabei ermitteln wir die Untersumme
U(f,Z) = f(0) a/n + f(a/n) a/n + ..... + f((n-1)a/n) a/n
und die Obersumme
O(f,Z) = f(a/n) a/n + f(2a/n) a/n + ..... + f(a) a/n
mit Hilfe der Summenformel für Quadratzahlen. U(f,Z) bzw. O(f,Z) stellen nun untere Schranke bzw. obere Schranke dieser auch Ordinatenmenge
M(f) = {(x,f(x)) / x in [0, a] }
genannten Punktmenge dar.
Unterziehen wir die beiden Summen einem Grenzwertprozeß, indem wir die Feinheit der Zerlegung der Null zustreben lassen, so erhalten wir in beiden Fällen als Grenzwert die Hälfte des Quadrates von a.
Dieses einfache Beispiel gibt schon Aufschluß darüber, wie das Konzept der UNTER- UND OBERSUMMEN uns bei der Lösung des Quadraturproblems einen Schritt voran bringt. Nur dann nämlich werden wir einer Ordinatenmenge einen Flächeninhalt zuordnen können, wenn wir zu jeder noch so kleinen Zahl 1/n eine Zerlegung Z finden mit
|O(f,Z) - U(f,Z)| < 1/n
Dieser Ungleichung werden wir im nächsten Abschnitt wieder begegnen - und zwar unter dem Stichwort: Riemannsches Integrabilitätskriterium.
Läßt sich also nach dem Riemannschen Integrabilitätskriterium einem Flächeninhalt eine Zahl zuordnen, so können wir diese in vielen Fällen mit den RIEMANNSCHEN SUMMEN berechnen, die nun hier zum Tragen kommen.
Genau aus diesem Grunde werden wir unter FLÄCHENINHALT EINER ORDINATENMGENGE mit Hilfe des obigen Kriteriums zum Beispiel zeigen, daß der Ordinatenmenge stetiger und monotoner Funktionen stets ein Flächeninhalt zugeordnet werden kann. Danach werden wir schließlich die Flächenberechnung vieler bekannter Funktionen mit Hilfe der Riemannschen Summen bei geeigneter Zwischenpunktwahl vornehmen. In den Übungen zu diesem Abschnitt findet ihr dazu noch Aufgaben mit Lösungen.
Als Fazit dieses Abschnittes wollen wir fest halten:
Das Konzept der Unter- und Obersummen ist zwar anschaulich sehr einprägsam, aber wenig tauglich zur Flächenberechnung. Allerdings läßt sich mit Hilfe von Unter- und Obersummen ein handliches Kriterium hinsichtlich der Existenz eines Flächeninhaltes aufstellen.
Das Konzept der Riemannschen Summen ist für den Nachweis der Existenz eines Flächeninhaltes ungeeignet, hat aber den Vorteil, daß man sich im Existenzfalle bei der Berechnung des Flächeninhaltes lediglich mit einer Folge von Riemannschen Summen - sogenannte Riemannfolgen - befassen muß.
1.2 DEFINITION DES RIEMANN-INTEGRALS
Im vorher gehenden Abschnitt haben wir bestimmten Ordinatenmengen der Ebenen in sinnvoller Weise einen Flächeninhalt zuordnen können. Dabei haben wir uns auf das Konzept der Unter- und Obersummen wie das der Riemannschen Summen gestützt.
Nun geht heute die Bedeutung der Integralrechung jedoch weit über die Probleme von Flächenberechnungen hinaus. Daher wollen wir Funktionen nicht mehr so sehr unter dem Gesichtspunkt des Inhaltsproblems für gewisse Ordinatenmengen sehen, sondern vielmehr mit Hilfe von Unter- und Obersummen ganz allgemein eine DEFINITION DES RIEMANN-INTEGRALS vornehmen. In diesem Zusammenhang werden wir auf die Begriffe Ober- und Unterintegral zu sprechen kommen, die durch Supremums- und Infimumsbildung erklärt werden. Sie gehen auf Gaston Darboux (1842-1917) zurück. Darüber hinaus werden wir noch eine Definition des Riemann-Integrals über die Riemannschen Summen geben und zeigen, daß beide Definitionen äquivalent sind. Abschließend wird zu sehen sein, daß von stetigen bzw. monotonen Funktionen f : [a,b] -> IR stets das Riemann-Integral gebildet werden kann.
Mit der Definition des Riemann-Integrals können wir wieder insofern eine Verbindung zum vorher gehenden Abschnitt herstellen, als wir folgende Äquivalenz fest halten dürfen:
Flächeninhalt für M(f) existiert <=> f ist R-integrierbar
Ohnehin sind die beiden ersten Abschnitte mit Absicht in großer Ähnlichkeit zueinander aufgebaut worden, um den Zugang zum Riemann-Integral möglichst anschaulich zu gestalten.
1.3 RIEMANN-INTEGRRIERBARE FUNKTIONEN
Bezeichnen wir mit I : R([a,b]) -> IR eine Abbildung, die jeder R-integrierbaren Funktion das R-Integral von f über [a,b] zuordnet, so ist I eine lineare Abbildung. Das bedeutet in diesem Falle, daß für zwei beliebige reelle Zahlen a und b und zwei R-integrierbare Funktionen f und g
I(af + bg) = a I(f) + b I(g)
gilt und somit die Linearkombination R-integrierbarer Funktionen wieder R-integrierbar ist. Unter EIGENSCHAFTEN DES RIEMANN-INTEGRALS werden wir uns eingehend mit der R-Integrierbarkeit verschiedener Funktionen sowie mit einigen Eigenschaften von I beschäftigen.
Nun wissen wir, daß zum Beispiel stetige Funktionen und monotone Funktionen R-integrierbar sind. Ebenso wissen wir auch, daß etwa die Summe und das Produkt R-integrierbarer Funktionen wieder in R([a,b]) liegen. Jedoch fehlt uns bislang noch eine genaue Charakterisierung der R-Integrierbarkeit von Funktionen f : [a, b] -> IR. Eine solche erlaubt uns das LEBESGUESCHE INTEGRABILITÄTSKRITERIUM, wonach nämlich folgende Äquivalenz gilt:
f ist R-integrierbar <=> f ist beschränkt und fast überall stetig
Dabei bedarf der Ausdruck "fast überall" einer näheren Erläuterung, wie ihr sie auch in dem voran gehenden Link nachlesen könnt. Er steht in engem Zusammenhang mit dem Begriff der Nullmenge, der im Rahmen der Lebesgueschen Integration eine gewisse Bedeutung zukommt. Unter ihr versteht man eine Teilmenge N aus IR, die sich von abzählbar vielen Intervallen (offen oder abgeschlossen) überdecken läßt und deren "Gesamtlänge" jede vorgegebene noch so kleine positive Zahl unterschreitet.
Eine beschränkte Funktion ist somit R-integrierbar, wenn es nicht "zu viele" Unstetigkeitstellen gibt wie etwa bei der Dirichletschen Funktion.
Beenden wollen wir den Abschnitt mit der Berechnung des Riemann-Integrals der berühmten CANTORFUNKTION f : [0,1] -> [0,1]. Sie ist außerhalb der sogenannten CANTORMENGE C auf offenen Intervallen konstant mit Werten zwischen 0 und 1 und auf dem gesamten Definitionsbereich stetig - und damit natürlich R-integrierbar. Darüber hinaus bietet sie ein interessantes Beispiel dafür, wie eine Nullmenge zu einem Intervall "aufgeblasen" wird; denn es gilt für die Nullmenge C: f(C) = [0,1].
Diese Menge C, die kein Intervall ausfüllt, aber dieselbe Mächtigkeit wie das Kontinuum aufweist, ist von dem deutschen Mathematiker Georg Cantor (1845-1918), dem Begründer der Mengenlehre, eingeführt worden. Sie ist zudem eines der einfachsten Beispiele für ein Fraktal, worunter man eine Punktmenge gebrochener Dimension versteht, deren Teilmengen eine Kopie der Gesamtmenge darstellen (Selbstähnlichkeit).
1.4 RIEMANN-INTEGRAL MIT VARIABLER OBERER GRENZE
Eine Riemann-integrierbare Funktion f : [a,b] -> IR ist auf jedem abgeschlossenen Teilintervall integrierbar - also auch auf [a,x] für ein x aus [a,b]. Bezeichnen wir nun mit F(x) das R-Integral von f über [a,x], so stellt F ein RIEMANN-INTEGRAL MIT VARIABLER OBERER GRENZE dar.
Ist f positiv, so darf F als ein Maß für die Fläche unter dem Graphen von f in Abhängigkeit von x angesehen werden. Wie ihr dem vorher gehenden Link entnehmen könnt, kennen wir bereits mit den Ergebnissen von Abschnitt 1.1 für wichtige Funktionen eine Funktionsvorschrift ihrer Flächenfunktion F. In diesem Zusammenhang sollte man sich jedoch nochmals klar machen, daß die Bedeutung des Riemann-Integrals weit über geometrische Fragestellungen hinaus geht. Zudem sollte man den Fehler vermeiden, das R-Integral mit der Fläche zwischen dem Graphen von f und der x-Achse gleich zu setzen.
Ist f stetig, so ist F - wie ihr im Abschnitt Hauptsatz der Differential- und Integralrechung nachlesen könnt - differenzierbar mit F' = f. In einem solchen Falle werden wir dann bei F von einer STAMMFUNKTION von f sprechen.