M A T H E   M I T   G I M I
THEORIE  I
THEORIE  II
DIFFERENTIAL-RG
INTEGRAL-RG

 

I   D I F F E R E N T I A L R E C H N U N G

Ihre Entdeckung ist untrennbar mit den beiden Gelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und Isaac Newton (1642-1727) verbunden. Viele unbeantwortete Fragen aus der Griechischen Mathematik - wie etwa das Tangentenproblem - konnten nun mit den neuen Methoden der Differentialrechnung nach und nach untersucht werden. Die erste veröffentlichte Version des Differentialkalküls ist aus dem Jahre 1684 und stammt von Leibniz. Der Titel seines mathematischen Artikels in der Zeitschrift Acta Eruditorum lautet übersetzt etwa so: "Eine neue Methode zur Bestimmung von Maxima und Minima sowie Tangenten, die weder durch gebrochene noch irrationale Größen erschwert wird, und ein bemerkenswerter Typ von Kalkül hierfür".

Wie bereits angedeutet hatten die Griechen mehr oder weniger erfolglos versucht, TANGENTEN AN KURVEN zu konstruieren. Der Grund hierfür lag wohl in ihrem Zahlenverständnis. Sie kannten nur die positiven rationalen Zahlen und das Phänomen eines Grenzwertprozesses war ihnen unbekannt. Seit Leibniz und Newton interpretiert man aber die TANGENTE (lat. "Berührende") an eine Kurve als Grenzlage einer Folge von Sekanten - ähnlich wie etwa die IRRATIONALE ZAHL als Grenzwert einer Folge rationaler Zahlen.

Die Erkenntnis freilich, daß die Diagonale und die Seite eines Quadrates nicht in einem rationalen Verhältnis zueinander stehen, hat bereits bei den Griechen zur Entdeckung des Irrationalen geführt. Aber den für die Neuzeit typischen Weg, den Zahlenbereich entsprechend zu erweitern, sind sie nicht gegangen. Viele Forscher sind daher auch der Ansicht, daß dies die Krise der Griechischen Mathematik einleitete. In Archimedes besitzt sie allerdings einen Mathematiker, der beim Umgang mit Grenzwertprozessen (etwa seine Exhaustionsmethode) Leibniz und Newton schon recht nahe kam.

Die Vorstellung vom Wesen des Differentiationsprozesses hat sich seit Newton und Leibniz natürlich entscheidend verändert. Damals sah man im Differentialquotienten noch in sehr vager Weise den Quotienten von Differentialen als "unendlich kleinen" (infinitesimalen) Größen. Dies ist im Rahmen einer Grenzwertbetrachtung jedoch nicht sinnvoll, da dabei die Differentiale nicht erklärt sind.

Eine strengere Begründung der Differentialrechnung - etwa im Hinblick auf den Begriff des Grenzwertes - fand erst im 19. Jahrhundert durch Mathematiker wie Augustin Louis Cauchy (1789-1864), Carl Friedrich Gauß (1777-1855) oder Bernhard Riemann (1826-1866) statt.

In diesem Kapitel werden die folgenden Punkte behandelt, die alle über die Menüleiste in der linken Spalte zu erreichen sind.

    1. Reelle Zahlen

    2. Folgen und Reihen

    3. Grenzwert

    4. Stetigkeit

    5. Differentiation

    6. Kurvendiskussion

    7. Extremwertaufgaben

    8. Differential und Wirtschaftslehre (für Wirtschaftsgymnasiasten)



4. STETIGKEIT

    4.1 DEFINITION DER STETIGKEIT

    4.2 SÄTZE ÜBER STETIGE FUNKTIONEN UND ANWENDUNGEN

    4.3 STETIGE FORTSETZUNG

    4.4 STETIGKEIT UND ANSCHAUUNG

 

Sehr salopp gesprochen bedeutet Stetigkeit einer Funktion f, daß der Graph von f auf einer zusammenhängenden Teilmenge I des Definitionsbereiches ID "in einem Zuge" - also ohne den Stift abzusetzen - gezeichnet werden kann. Der Abschnitt Anschauung und Stetigkeit wird allerdings später zeigen, wie ungenau und vage diese Charakterisierung von Stetigkeit ist. Dennoch mag sie durchaus bei der ein oder anderen Gelegenheit ihre Dienste tun.

Stetige Funktionen haben unter anderem den unschätzbaren Vorteil, daß "kleine" Veränderungen des Argumentes keine "unberechenbar großen" Veränderungen der Funktionswerte zur Folge haben. Durch die Stetigkeit einer Funktion f an der Stelle a sind nämlich die Funktionswerte f(x) für nahe a gelegene Argumente x an den Wert f(a) in "gewisser Weise" gebunden; denn f(x) weicht "beliebig wenig" von f(a) ab, wenn x nur "hinreichend wenig" von a abweicht.

 

4.1 DEFINITION DER STETIGKEIT

Die einführenden Bemerkungen zur Stetigkeit lassen bereits vermuten, daß die Definition der Stetigkeit mit Hilfe des Delta-Epsilon-Kriteriums vorgenommen wird. Unter STETIGE FUNKTIONEN findet ihr eine Einführung zu diesem Thema. Besonderes Gewicht wird dort auf die beiden Begriffe Stetigkeit und gleichmäßige Stetigkeit gelegt. Die eine beschreibt nämlich eine lokale Eigenschaft einer Funktion und die andere eine globale.

Bereits an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, daß diese Begriffe im nächsten Abschnitt noch durch die sogenannte Lipschitz-Stetigkeit ergänzt werden. Sie besagt, daß bei Funktionen mit dieser Eigenschaft für beliebige x und y des Definitionsbereiches der Abstand ihrer Funktionswerte nicht "allzu groß" wird - oder: daß der Quotient aus | f(x) - f(y) | und | x - y | eine Schranke C > 0 nicht überschreitet. Eine anschauliche Erklärung hierzu findet ihr unter SCHAUBILD ZUR LIPSCHITZ-STETIGKEIT.

Zum Schluß findet ihr in der Einführung noch Stetigkeitsnachweise für

  • die Gerade
  • die Parabel n-ter Ordnung
  • die Hyperbel
  • die Wurzelfunktion,

die alle mit Hilfe des Delta-Epsilon-Kriteriums geführt werden. Weitergehende Aussagen findet ihr im nachfolgenden Abschnitt.

 

4.2 SÄTZE ÜBER STETIGE FUNKTIONEN UND ANWENDUNGEN

Besitzt eine Funktion f die Eigenschaft, stetig zu sein, so lassen sich viele nützliche Aussagen über f formulieren.

So befaßt sich die Angewandte Mathematik unter anderem mit der Lösung von Gleichungen f(x) = 0, die nicht durch einen expliziten Ausdruck angegeben werden können und damit Näherungsverfahren notwendig machen. Solche Verfahren sind allerdings nur dann anwendbar, wenn die zu untersuchenden Funktionen gewisse Eigenschaften aufweisen - wie beispielsweise die Stetigkeit.

Unter SÄTZE ÜBER STETIGE FUNKTIONEN UND ANWENDUNGEN sind einige wichtige Aussagen zu dem oben beschriebenen Sachverhalt aufgeführt. Einen Überblick dazu geben die folgenden Schwerpunkte:

  • Koppelung der Stetigkeit mit der Konvergenz von Folgen (an der Untersuchungsstelle hängen Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion eng zusammen)
  • Addition, Produkt, Quotient und Komposition stetiger Funktionen sind wieder stetig
  • Auflistung einiger wichtiger stetiger Funktionen
  • Gleichmäßige Stetigkeit und Lipschitz-Stetigkeit
  • Kontraktionssatz (Banachscher Fixpunktsatz)
  • Nullstellenberechnung mit Hilfe des Kontraktionssatzes und Fehlerabschätzung
  • Nullstellensatz von Bolzano (Zwischenwertsatz)
  • Satz vom Maximum und Minimum

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang sicherlich der Hinweis, daß mit der Entwicklung von programmgesteuerten Rechnern die Näherungsverfahren an Bedeutung gewonnen haben. Daher soll unter REGULA FALSI (falsche Regel) noch ein Iterationsverfahren mit verschiedenen Beispielen vorgestellt werden, das ebenfalls die Lösung einer Gleichung f(x) = 0 erlaubt und im Wesentlichen nur die Stetigkeit von f verlangt. Es zeichnet sich durch eine einfache Handhabung wie eine hohe Wirksamkeit aus und bezieht seinen Namen aus der Tatsache, daß mit ihm stets ein "falscher" (eben nur angenäherter) Wert berechnet wird.

So wird es etwa in der Finanzmathematik häufig zur Berechnung des effektiven Zinssatzes angewandt. Im Netz könnt ihr HIER die beiden ersten Schritte der Regula falsi an einem Schaubild verfolgen.

Ein weiteres, sehr gängiges Iterationsverfahren - bekannt unter Newton-Verfahren - wird erst im Abschnitt Differentiation behandelt werden können.

 

4.3 STETIGE FORTSETZUNG

Es gibt Funktionen, die sich auf eine Definitionslücke stetig fortsetzen lassen, da Grenzwertbetrachtungen dies nahe legen. Man denke an die einfache Funktion f(x) = x / x, die an der Stelle x = 0 offenbar nicht definiert ist. Da für x = 0 rechts- und linksseitiger Grenzwert existieren und beide 1 sind, stellt die Konstante g(x) = 1 eine stetige Fortsetzung von f in 0 dar. Man sagt dazu auch, daß f in 0 eine hebbare Unstetigkeit habe. Weitere Ausführungen dazu können unter STETIGE FORTSETZUNG nachgelesen werden.

 

4.4 ANSCHAUUNG UND STETIGKEIT

Abschließend sei zum Thema Stetigkeit bemerkt, daß die Anschauung bei Stetigkeitsfragen leicht versagen kann. Definiert man beispielsweise auf dem Intervall [0, 1] die Funktion f durch x für rationales x und 1 - x für irrationales x, so nimmt die Funktion eben jeden Wert zwischen f(0) = 0 und f(1) = 1 an, obwohl sie lediglich an der Stelle 1/2 stetig ist. Die Gültigkeit des Zwischenwertsatzes ist demnach nicht hinreichend für die Stetigkeit einer Funktion.

Darüber hinaus lassen sich stetige Funktionen definieren, deren Graph sich eben nicht in einem Zuge zeichnen läßt, ja sogar die Anschauung versagen muß.

Karl Weierstraß (1815-1897) war der erste Mathematiker, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigte, daß es stetige Funktionen gibt, an die man nirgends eine Tangente anlegen kann. Solche Kurven sind nirgends "glatt" und entziehen sich ebenfalls der Anschauung. Wie übrigens die "Glattheit" einer Kurve mathematisch exakt zu fassen ist, wird sich erst bei der Einführung in die Differentialrechnung zeigen.

Unter KOCHSCHE KURVE findet ihr ein Beispiel einer solchen nirgends "glatten" aber überall stetigen Funktion. Sie stammt von dem schwedischen Mathematiker Helge von Koch (1870-1924). Im Netz könnt ihr euch dazu ein schönes Applet HIER anschauen.

Ein weiteres nicht ganz einfaches Beispiel - wir verlassen damit die Schulmathematik - ist etwa ein "typischer" Pfad der Brownschen Bewegung, die in der Wahrscheinlichkeitstheorie als stochastischer Prozeß bezeichnet wird. Mit einem Klick auf BROWNSCHER PFAD IN DER EBENE  erhaltet ihr aber zumindest  eine ansprechende Simulation, die euch eine Vorstellung von der Kompliziertheit des Pfades vermittelt, der überall stetig aber nirgends glatt ist.

Mit einer Arbeit aus dem Jahre 1923 ist von Norbert Wiener (1894-1966) zum ersten Mal eine mathematisch saubere Formulierung der Brownschen Bewegung vorgelegt worden.

Wer darüber hinaus noch weiteres Interesse für solch "eigenartige" Kurven zeigt, kann in der Literatur bzw. im Netz ja einmal unter dem Stichwort Fraktale nachschauen.

 

 

8. DIFFERENTIAL  UND  WIRTSCHAFTSLEHRE

Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts begannen die Wirtschaftswissenschaften die klassische Theorie mathematisch zu interpretieren und unterstellten für ihre Modellbetrachtungen, daß sich alle wirtschaftlichen Vorgänge als differenzierbare Funktionen darstellen lassen.

Sicherlich kann man über diese Vorgehensweise streiten. Aber ebenso klar ist auch, daß heute die Mathematik bei der Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge für viele ein wichtiges Hilfsmittel darstellt. Mir selbst hat die mathematische Darstellung verschiedener Sachverhalte aus der Ökonomie einen schnellen Zugang zu diesem interessanten Wissenschaftszweig eröffnet, da viele ökonomische Gesetzmäßigkeiten mit den Mitteln der Differentialrechnung eine klare und anschauliche Form erhalten haben.

So ermöglicht etwa die Erweiterung der klassischen Theorie um das Marginalprinzip eine systematische Analyse von Änderungen der abhängigen Variablen (Output, Erlöse, Kosten, Nutzen etc.) bei "kleinen" Änderungen der unabhängigen Variablen (Input, Preise etc.). Und in der Tat: Solch wichtige ökonomische Begriffe wie Grenznutzen, Grenzprodukt oder Grenzkosten gewinnen durch eine Betrachtung der Differentiale vorgegebener Funktionen (Erlöse, Kosten etc.) an Klarheit und Aussagekraft.

Einige Beispiele hierzu finden interessierte Leser unter dem Menüpunkt WIRTSCHAFTSLEHRE. Allerdings dürfen sie dort keine umfassende Darstellung erwarten, wohl aber eine übersichtliche und mathematisch ausformulierte Darstellung verschiedener Modelle in Anlehnung an das Kapitel DIFFERENTIATION sowie einige einführende Bemerkungen.

 

 

 

Dipl.-Math. Manfred Gimmler  | mathe@gimi.de