Diese Betrachtung wird uns direkt zum Hauptsatz führen. Dessen Bedeutung liegt unter anderem auch darin, daß man in vielen Fällen bei der Ermittlung des Riemann-Integrals auf die Stammfunktion zurück greifen kann und nicht den meist mühevollen Nachweis der Konvergenz der Riemannschen Summen erbringen muß.
3. HAUPTSATZ DER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG
3.1 REKONSTRUKTION EINER STAMMFUNKTION
3.2 RIEMANN-INTEGRAL MIT VARIABLER OBERER GRENZE ALS STAMMFUNKTION
3.3 INTEGRATIONSREGELN
3.4 VERSCHIEDENE VERFAHREN ZUR BERECHNUNG VON STAMMFUNKTIONEN
3.1 REKONSTRUKTION EINER STAMMFUNKTION
Mit den neben obigem Schaubild formulierten Annahmen denken wir bei der Bestimmung des Endwertes F(b) natürlich sofort an den Mittelwertsatz, wonach ein u auf ]a,b[ existiert mit
F(b) - F(a) = f(u) (b-a).
Da jedoch lediglich die Existenz von u und nicht seine Lage fest steht und zudem eine willkürliche Wahl eines anderen Punktes aus dem Intervall ausscheidet wegen möglicher großer Unterschiede im Steigungsverhalten, bringt uns die Anwendung des Mittelsatzes in dieser Form bei der Problemlösung zunächst nicht weiter.
Dennoch: Die möglicherweise vorhandenen starken Änderungen der Funktion F auf [a,b] können wir insofern umgehen, als wir eine Zerlegung Z des Intervalls mit hinreichend kleiner Feinheit wählen. Selbst bei willkürlicher Wahl der Zwischenpunkte dürfen wir dann annehmen, daß die Addition von Anfangswert und Riemannscher Summe eine brauchbare Approximation für F(b) ist. Daß diese Approximation mit zunehmender Feinheit von Z besser wird, liegt im Falle der R-Integrierbarkeit von f auf der Hand. Mehr dazu erfahrt ihr unter HAUPTSATZ DER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHUNG I (auch Hauptsatz der Infinitesimalrechung genannt).
3.2 RIEMANN-INTEGRAL MIT VARIABLER OBERER GRENZE ALS STAMMFUNKTION
Im vorher gehenden Abschnitt haben wir die Stammfunktion F aus Anfangswert F(a) und Änderungsrate f rekonstruiert. Allerdings wissen wir noch immer nicht, welche Funktionen überhaupt eine Stammfunktion besitzen. In diesem Abschnitt werden wir nun sehen, daß im Falle der Stetigkeit von f : [a,b] -> IR es stets eine Stammfunktion gibt - etwa das Riemann-Integral mit variabler oberer Grenze, dessen Existenz wir bereits im Abschnitt Riemann-Integral nachgewiesen hatten. Den einfachen Beweis dazu findet ihr unter HAUPTSATZ DER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG II. In diesem Zusammenhang sollte vielleicht noch erwähnt werden, daß natürlich eine Funktion f, die auf dem Intervall [a,b] R-integrierbar ist und eine Stammfunktion besitzt, nicht auf ihrem ganzen Definitionsbereich stetig zu sein braucht.
Übrigens: Das Aufsuchen irgendeiner Stammfunktion von f, die auch als unbestimmtes Integral bezeichnet wird, darf nicht mit der Berechnung des Riemann-Integrals verwechselt werden, das in diesem Zusammenhang auch bestimmtes Integral genannt wird.
Abschließend sollte zum Thema R-INTEGRAL UND STAMMFUNKTION noch folgender wichtiger Punkt fest gehalten werden: Nicht jede R-integrierbare Funktion besitzt eine Stammfunktion und nicht jede Funktion, die eine Stammfunktion besitzt, muß R-integrierbar sein. Beispiele dazu findet ihr unter dem voran gehenden Link. Damit ist unter anderem auch geklärt, daß man nicht immer für eine R-integrierbare Funktion erwarten kann, ihr R-Integral über eine Stammfunktion zu ermitteln. Tröstlich bleibt jedoch, daß es für viele praktische Fälle möglich ist.
3.3 INTEGRATIONSREGELN
Es ist bereits mehrfach sinngemäß erwähnt worden, daß zu einer vorgegebenen Funktion f Stammfunktionen - wenn überhaupt - in einer ganzen Klasse auftreten. Die Berechnung irgendeiner Stammfunktion von f : [a,b] -> IR auf ihrem gesamten Definitionsbereich bezeichnet man daher als unbestimmte Integration über dem Intervall [a,b] und schreibt für jede Stammfunktion
S f(x) dx.
Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, daß im Grunde genommen
S f(x) dx = { F : [a,b] -> IR / F ist Stammfunktion von f }
ist - also eine Äquivalenzklasse von Funktionen. Das findet unter anderem seinen Ausdruck in der Schreibweise
S f(x) dx = F(x) + C,
wobei C eine beliebige reelle Zahl darstellt. Diese Konstante C fällt bei der Berechnung des Riemann-Integrals von f über [a,b] aufgrund der Differenzbildung F(b) - F(a) bei jeder Stammfunktion F heraus. Deshalb heißt das Riemann-Integral auch bestimmtes Integral.
Schon im Abschnitt Stammfunktion haben wir bei der Auflistung von Stammfunktionen für gewisse Funktionen die Tatsache ausgenützt, daß die Differentiation die Umkehrung der Integration ist - also unter dem Integralzeichen gerade das Differential der gesuchten Stammfunktion steht.
dS f(x) dx = f(x) dx
In diesem Abschnitt werden wir nun weitere Regeln kennen lernen, die uns bei der Berechnung von Stammfunktionen behilflich sein können. Dabei werden wir über die Regeln der Differentiation direkt zu den INTEGRATIONSREGELN geführt.
3.4 VERSCHIEDENE VERFAHREN ZUR BERECHNUNG VON STAMMFUNKTIONEN
Zunächst folgende wichtige Anmerkung: Nicht alle Integrale lassen sich in einer geschlossener Form darstellen. So existieren beispielsweise
S sin(x)/x dx, S cos(x)/x dx oder S 1/ln(x) dx,
aber eine Stammfunktion läßt sich für sie in geschlossener Form nicht angeben. In diesem Abschnitt werden wir uns nur mit solchen Funktionen beschäftigen, deren Integration in geschlossener Form ausführbar ist.